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Alt 04.10.2005, 16:43
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Maniac
 
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Standard Die Agnelli-Dynastie

Aus dem Sonntagsblick

Fiat ist Italien. Jedenfalls war das einmal so. Nun sollen die beiden Enkel des verstorbenen Clan-Patriarchen Gianni Agnelli den Motor des wankenden Imperiums wieder auf Touren bringen. Und es scheint, als habe das Brüderpaar John und Lapo Elkann die Handbremse endlich gelöst: Es geht wieder aufwärts mit Italiens Nationalstolz

Es war auf einer der vielen Promi-Hochzeiten dieses Sommers. In der Toskana vermutlich. Lapo Elkann habe violette Schuhe getragen. Vielleicht auch gelbe. Oder aquamarinfarbene. Auf jeden Fall: sehr ungewöhnlich. Für einen Mann, besonders wenn er Italiener ist. Und Enkel Gianni Agnellis.

Bei einem Agnelli ist sogar noch die Farbe der Schnürsenkel bemerkenswert. Denn für die Italiener besteht die Familie aus in Drachenblut gebadeten Göttern, immer noch. Gianni Agnelli starb. Aber die Legende lebt. Jener Mythos von Macht, Geld und Tod, von Leid und Liebe, der die Agnellis seit Generationen umweht wie ein unsichtbarer Schleier. Obwohl sie eigentlich nichts anderes wollten, als Autos zu verkaufen. Viele Autos.

Als der Patriarch abtrat, schickte die Vorhersehung zwei Epheben in das Licht der Öffentlichkeit. John und Lapo Elkann. Hell. Schmal. Engelsgleich. Und dazu: wohlerzogen, international, vielsprachig. Es vergeht kein Tag, an dem die Klatschbasen unter den italienischen Zeitschriften sich nicht an den Brosamen delektierten, die ihnen die beiden Agnelli-Enkel zukommen lassen, wobei ein Bericht über die Farbe ihrer Schuhe bereits den Gipfel der Vertraulichkeit darstellen und eine halbe Seite einnehmen kann: Lapo und John Elkann sind für Italien das, was Prince William und Harry für England sind. Die Prinzen. Wobei die italienischen Prinzen vielleicht etwas besser erzogen sind. Jedenfalls im Vergleich zu Prinz Harry.

Weder von John noch von Lapo Elkann kann man sich vorstellen, dass sie auf einem Kostümfest als Nazi verkleidet erscheinen würden. Ein Foto von Lapo Elkann in verliebter Pose mit dem Filmstarlet Martina Stella gilt bereits als verwegen. Angemessener ist ein Bild, auf dem Lapo im Nadelstreifenanzug auf einem Alfa Romeo posiert. Oder das von der Hochzeit seines Bruders John, der in eleganter Haltung und im Cutaway auf einer Insel des Lago Maggiore der Familientradition gehorchend eine leibhaftige Prinzessin heiratete: Lavinia Borromeo Arese Taverna, Nachfahrin von Friedrich Barbarossa. Vertraulichere Fotos als diese gibt es von ihnen nicht. Sie wissen: Nähe könnte den Zauber brechen.

Auf den Schultern der beiden jüngsten Agnelli-Enkel ruht die Hoffnung - wenn nicht Italiens, so aber doch die von Fiat. Und Fiat ist bekanntlich Italien. Jedenfalls war das einmal so. In den Jahren, als die Arbeiter noch sagten: Agnelli ist Fiat. Und Fiat ist Turin. Und Turin ist Italien.

Die Fiat-Erben John und Lapo Elkann sind 29 und 27 Jahre alt und wollen, dass es wieder so wird wie früher. Die Ehe zwischen Fiat und General Motors wurde annulliert, in beiderseitigem Einvernehmen. Der neue Panda wurde zum europäischen Auto des Jahres 2004 gewählt. Und der neue Fiat Punto in Schweden zum umweltverträglichsten Auto des Jahres gekrönt.

Obwohl die Liebe der Italiener in jenen Jahren gelitten hat, als die Marke klapprig wurde, das Design holzschnittartig und Fiat eine Abkürzung von «Fix it again, Tony», bekennen sich inzwischen wieder 70 Prozent der Italiener zu ihrer Zuneigung - zum Auto und zum Agnelli-Clan. Fiat-Vorstandschef ist Luca Cordero di Montezemolo, Gianni Agnellis Vertrauter - und einem ebenso hartnäckigen wie bösartigen Gerücht zufolge Agnellis unehelicher Sohn. Enkel John ist Vize-Vorstandschef und Präsident des Verwaltungsrates, sein Bruder Lapo Leiter der Marketing-Abteilung. Er eröffnete in Mailand das Fiat-Café La Triennale, in Madrid das Panda-Café und an der mondänen Küste Sardiniens die «Fiat-Playa». Er platzierte einen Fiat Panda als Dienstwagen von James Bond und den neuen Fiat Punto in «Need for Speed», dem berühmtesten Videospiel der Welt. Er liess auch Sportbekleidung mit Fiat-Logo entwickeln: Turnschuhe, Fiat-Taschen, die bereits in China kopiert werden, und Kapuzen-T-Shirts - eines trug Lapo auf einer Wohltätigkeitsgala in Palermo für Unicef am eigenen, wohlgebauten Körper, was die vor der Tür wartenden Mädchen in Raserei versetzte. In einem Jahr bei Fiat habe Lapo mehr Ideen umgesetzt als Generationen von Fiat-Managern, heisst es. Tue Gutes und rede darüber, das ist Lapos Maxime für Fiat.

Es scheint, als leuchte Licht am Horizont, nachdem die Agnelli-Dynastie in den letzten Jahren nur noch durch Tod und Tragik von sich reden machte: 1997 starb Giovanni Alberto, Neffe von Gianni Agnelli und sein designierter Nachfolger, Sohn seines jüngeren Bruders Umberto, mit nur 37 Jahren an einem Hirntumor. Drei Jahre später stürzte sich Gianni Agnellis einziger Sohn Edoardo von einer Autobahnbrücke in den Tod: Hinter ihm lag ein Leben voller vergeblicher Sinnsuche und Rebellion gegen sein Schicksal als Agnelli-Erbe. 2003 starb Gianni Agnelli, der Patriarch, mit 81 Jahren. Nur ein Jahr später folgte ihm sein jüngerer Bruder Umberto. John und Lapo Elkann sollen nun die Zeitenwende einleiten. Sie kamen in New York zur Welt und wuchsen in England, Paris, Brasilien und Turin auf, als Söhne von Gianni Agnellis Tochter Margherita und dem französischen Journalisten Alain Elkann - über den Schwiegervater Gianni Agnelli etwas kalt bemerkte: «Er ist Jude. Es ist bekannt, dass ich Juden gegenüber keine grossen Sympathien hege. Aber wenn ich Jude wäre, dann wäre ich stolz darauf. Er ist es nicht.» Die Ehe zwischen Margherita Agnelli und Alain Elkann hielt nicht lange.

John galt von jeher als Lieblingsenkel seines Grossvaters. Er erbte nicht nur dessen im Rachen gesprochenes R, sondern auch den piemontesischen Leistungswillen, die fast preussisch anmutende Disziplin: Als John auf Geheiss seines Grossvaters in Turin Ingenieurwissenschaften studierte, lebte er in einem von Jesuiten geführten Studentenheim und widmete sich abends der Lektüre von Balzac und Zola statt dem Nachtleben, wie die «Repubblica» erstaunt vermeldete. In den Ferien arbeitete er in einer polnischen Fiat-Niederlassung, inkognito natürlich. Nach dem Studium sammelte er Berufserfahrung in Amerika, Japan, Irland, Spanien und Frankreich.

Lapo Elkann ist extrovertierter als sein Bruder und ein Praktiker. Der Grossvater erkannte dies früh und liess den Enkel nach seinem Studium der internationalen Beziehungen in London ein Jahr lang als persönlichen Assistenten bei seinem Freund Henry Kissinger arbeiten. Zuvor stand Lapo wie sein Bruder am Fliessband - bei der Fiat-Tochter Piaggio, dem Motorrollerhersteller. Seine Tarnung funktionierte so gut, dass Lapo sogar in den Genuss kam, an einem Streik bei Piaggio teilzunehmen.

Sein Bruder John wurde noch von seinem Grossvater Gianni Agnelli in den Verwaltungsrat von Fiat berufen: Umstandslos und pragmatisch und vielleicht auch etwas pietätlos präsentierte Gianni Agnelli seinen erst 22-jährigen Enkel als Nachfolger seines Nachfolgers: Nur drei Tage zuvor war sein Neffe Giovanni Alberto beerdigt worden. Als Kleinaktionäre die Ernennung des Enkels kritisierten, kanzelte sie Gianni Agnelli ab: «Er ist abkommandiert worden von mir, so wie es auch mir mein Grossvater im selben Alter befohlen hatte.» Einer, der sein Leben lang die Götter herausgefordert hat, lässt sich nicht von Kleinaktionären in seine Entscheidungen hineinreden.

Als 22-Jähriger war Gianni Agnelli von seinem Grossvater in den Aufsichtsrat berufen worden. Der mit dem Ehrentitel Senatore gekrönte Grossvater hatte die Fabbrica Italiana Automobili Torino 1899 gegründet und mit Lingotto das damals modernste Automobilwerk Europas gebaut. 1936 revolutionierte der Senatore den Automarkt mit dem Topolino: dem Fiat 500, den die Italiener zärtlich «Mäuschen» tauften. Als er seinen Enkel in den Aufsichtsrat berief, waren dessen Eltern bereits tot - Gianni Agnellis Vater Edoardo war bei einem Flugzeugabsturz ums Leben gekommen, seine Mutter Virginia hatte sich bei einem Autounfall das Genick gebrochen. Der Tod seiner Schwiegertochter wird den Senatore erleichtert haben: Als die Witwe sich mit dem Schriftsteller Curzio Malaparte tröstete, nahm der Schwiegervater ihr das Sorgerecht für die Kinder weg. In ihrer Verzweiflung hatte Virginia sogar vergeblich Mussolini um Hilfe gebeten.

Gianni ging für Mussolini in den Krieg, wurde verwundet und stand bei Kriegsende auf der Seite der Alliierten, als Verbindungsoffizier. Die Agnellis schafften es immer, auf der richtigen Seite zu stehen, heisst es bis heute in Italien. Gianni Agnelli machte Geschäfte mit Nikita Chruschtschow und mit Muammar Gaddafi. Er paktierte mit den bürgerlichen Parteien und machte den kommunistischen Gewerkschaften Geschenke - wie den automatischen Inflationsausgleich der Löhne. Geschenke, die nicht er bezahlte, sondern der italienische Staat.

Ministerpräsidenten kamen und gingen, Agnelli blieb. Mächtig und unvergänglich. Als Journalisten Details seiner Besprechung mit Ministerpräsident Massimo D'Alema bereits verbreiteten, bevor Agnelli sich dazu geäussert hatte, sagte er nur einen vernichtenden Satz: «Bei meinen Treffen mit den vielen Ministerpräsidenten habe ich bisher die Inhalte immer sehr vertraulich behandelt.»

Die Italiener bewunderten Gianni Agnelli nicht nur wegen seiner Macht. Sondern auch wegen seines Lebenshungers. Sie nannten ihn Avvocato. Obwohl er nie zu Ende studiert hatte. Denn er langweilte sich schnell. Zeitlebens hat er kein Buch zu Ende gelesen, keinen Film bis zum Ende verfolgt, keiner Frau die Treue gehalten. Nach dem Tod seines Grossvaters 1945 zog er keineswegs in das Unternehmen ein. Er nahm sich frei. Einundzwanzig Jahre lang. Fiat wurde von dem Manager Vittorio Valletta geführt. Und Gianni Agnelli lebte in Südfrankreich, wo er an seiner Legende als Playboy arbeitete. Es war eine harte Arbeit. Ein siebenfach gebrochenes Bein nach einem Autounfall. Viel Kokain. Unzählige Liaisons. Mit Rita Hayworth, Anita Ekberg, Jacqueline Kennedy und Pamela Harris, Churchills späterer Schwiegertochter. «Nur Dienstmädchen verlieben sich», sagte Gianni seiner Schwester Suni, der späteren italienischen Aussenministerin. Suni suchte ihrem Bruder die Frau aus: nicht die rothaarige Amerikanerin Pamela, sondern die neapolitanische Prinzessin Marella Caracciolo di Castagneto, ein ehemaliges «Vogue»-Model mit Schwanenhals. Agnelli betrog sie sein Leben lang.

Nähe erlaubte Gianni Agnelli nicht mal auf dem Totenbett. Als er im Sterben lag, besuchte ihn Kardinal Severino. «Wie soll ich Sie anreden?», fragte der Kardinal. «Nennen Sie mich Avvocato», sagte Gianni Agnelli, «das ist mein Künstlername.»

Es heisst, dass die Anzüge von Gianni Agnelli seinem Enkel Lapo auf den Leib geschneidert seien. Aber wem passen seine Schuhe?

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