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Alt 30.09.2005, 17:47
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Säm Säm ist offline
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Standard Interview mit Karl-Heinz Kalbfell

29. September 2005

"Jede Panne ist eine Panne zu viel"

Zuerst war es Rost, später Probleme mit der Elektronik, die den Ruf von Alfa Romeo ruinierten. Im Interview mit SPIEGEL ONLINE erklärt Alfa-Chef Karl-Heinz Kalbfell, wie er den Mythos der Marke wieder beleben will und welche Rolle der 159 dabei spielt.

SPIEGEL ONLINE: Herr Kalbfell, Sie sitzen einem bitter enttäuschten Alfista gegenüber. Überzeugen Sie ihn, dass sein Leidensweg ein Ende hat.

Alfa-Stratege Karl-Heinz Kalbfell: "Maserati muss immer Maserati bleiben und Alfa immer Alfa"

Karl-Heinz Kalbfell: Ich muss um ein bisschen Geduld bitten. Die Alfa-Fans werden wir nicht alle über Nacht wiedergewinnen können. Mit den Modellen 156 und 147 wurde bereits der Anfang gemacht, die müssten Ihnen gefallen. Jetzt schauen Sie sich den 159 an. Das Auto zeichnet den Weg vor, den Alfa Romeo in der Zukunft konsequent gehen wird.

SPIEGEL ONLINE: Aber 156 und 147 waren doch wie eine kalte Dusche für die Fans. Als die Autos auf den Markt kamen, waren die meisten zunächst begeistert. Doch dann mussten sie die Erfahrung machen, dass sich in Sachen Qualität nicht viel getan hatte.

Kalbfell: So schlecht wie Sie es darstellen, sind die Autos bei weitem nicht. Seit Stefan Ketter als Qualitätsbeauftragter verantwortlich ist, hat sich das Bewusstsein im Unternehmen spürbar gewandelt. Inzwischen sind sich alle Mitarbeiter darüber klar, dass Qualität nur zu gewährleisten ist, wenn alle Fehler ausgeschaltet werden und nicht nur einige wenige. Das wirkt sich bereits aus: Die Bilanz der Händler und Werkstätten hat sich deutlich verbessert.

Alfa Romeo Brera: Hoffnungsträger für die Alfisti

SPIEGEL ONLINE: Die Pannenstatistiken lassen einen anderen Schluss zu. Besonders bei den Elektronikdefekten belegen Alfas vordere Plätze. Versetzen sie sich doch einmal in die Lage eines Alfa-Fahrers, der am Straßenrand auf den Pannendienst warten muss. Mit einem solchen Auto ist das extrem uncool - dreimal schlimmer, als etwa mit einem Ford Scorpio.

Kalbfell: Jede Panne ist eine Panne zu viel.

SPIEGEL ONLINE: Trotzdem: Die Marke war einst auf Augenhöhe mit Ferrari und Porsche. Inzwischen spielt sie unter Mühen in einer Liga mit Massenherstellern wie Audi und Volkswagen.

Kalbfell: Der Mythos Alfa lebt - Ihre Angriffslust ist für mich der beste Beweis dafür. Trotzdem interpretiere ich den Begriff Massenhersteller nicht negativ. Wir müssen Autos in entsprechenden Stückzahlen verkaufen, sonst würden uns nämlich die Mittel für die Entwicklung hochklassiger Automobile wie Sie sie schätzen langfristig fehlen. Dazu gehört auch, dass wir über die Gemeinde der Alfisti hinaus weitere Kundenkreise erschließen.

SPIEGEL ONLINE: Ihr angestrebtes Verkaufsziel von 300.000 Autos lässt sich nicht allein mit einem oder zwei Modellen erreichen. Was dürfen wir in nächster Zukunft noch erwarten?

ZUR PERSON
Seit vergangenem Herbst leitet Karl-Heinz Kalbfell die Geschicke von Alfa Romeo. Erst nach ausgiebigen Testfahrten mit der noch unter der Regie seines Vorgängers entwickelten Limousine 159 soll er den Vertrag unterschrieben haben. Seitdem jedoch ist die Aufgabe für ihn, wie er selbst erklärt, eine Herzensangelegenheit.

Seine Karriere begann der 55-jährige nach dem Studium als Webeleiter beim Campingmobil-Spezialisten Eriba/Hymer. 1977 wechselte er zu Münchener Autobauer BMW, dem er bis zum vergangenen Herbst treu blieb. Dort kümmerte er sich unter anderem um die Rennsportaktivitäten. Auch wird ihm die Idee und entscheidender Einfluss zur Wiederbelebung des Mini zugeschrieben. Zuletzt leitete er die noble Konzerntochter Rolls Royce.

Wenn Kalbfell das Fahrverhalten des 159 lobt, so klingt dies keineswegs wie die Anpreisung eines Verkäufers. Als passionierter Rennfahrer ist er in der Lage, den Grenzbereich eines Autos auszuloten. Die ausschlaggebende Testfahrt führte über die hauseigene Rennstrecke, die nach seinen Worten mit der Nordschleife des Nürburgrings vergleichbar ist.



Kalbfell: Nischenmodelle sind ein Thema für die Zukunft. Deshalb werden wir uns zunächst auf das konzentrieren, was unmittelbar vor uns liegt. Die Zahl von 300.000 ist das Ergebnis einer Marktstudie: Wie viele Kunden kann die Marke auf Grund ihrer Ausstrahlung ihres Rufes und ihrer Talente erreichen. Auch wenn sie also eher eine theoretische Größe ist, wollen wir alles unternehmen, um sie so weit wie möglich auszuschöpfen. Der 159 macht den Anfang. Ihn verkaufen wir jetzt erstmal, auch in Märkten wie etwa Großbritannien, in denen wir bislang nicht so stark vertreten sind. Danach denken wir über weitere Modelle nach.

Alfa Romeo 159: Markstein auf dem Weg in die Zukunft

SPIEGEL ONLINE: Sie haben das Tagesgeschäft bei Alfa an Antonio Baravalle abgegeben. Verlieren Sie damit an Einfluss, um die notwendigen Veränderungen umsetzen zu können?

Kalbfell: Nein, ganz im Gegenteil. Ich kann mich nun um die anliegenden Zukunftsfragen mit aller dafür erforderlichen Intensität kümmern. Das Tagesgeschäft hat mich persönlich bis heute zu sehr in Anspruch genommen. Antonio wird dementsprechend mit seinem Team ganz konzentriert dafür sorgen, dass die Marktanteile wieder in die richtige Richtung zeigen.

SPIEGEL ONLINE: Sie leiten auch Konzernschwester Maserati. Sehen sie da Möglichkeiten, etwa den Austausch von Motoren oder ähnlichem?

Kalbfell: Maserati muss immer Maserati bleiben und Alfa immer Alfa, da können wir den Fans nicht vormachen. Wenn wir mit Maserati wachsen wollen, dann müssen wir uns nach neuen Möglichkeiten umsehen. Über die Nutzung von Synergien beim Einkauf, Fertigung und Vertrieb wird dies aber nicht hinausgehen.

SPIEGEL ONLINE: Der neue 159 wird in Süditalien gefertigt. Da werden unselige Erinnerungen an den Alfasud wach, der wegen seiner schlechten Verarbeitung einst entscheidend zum Niedergang der Marke Alfa beigetragen hat.

Kalbfell: Die Vorbehalte kenne ich. Umso positiver war ich überrascht, als ich das Werk zum ersten Mal besucht habe. Die Leute dort setzen die neuen Qualitätsprozesse dort mit solch großer um, dass keine Unterschiede mehr zu anderen Werken in Europa bestehen. Ich habe dort übrigens ebenso wie in der Zentrale in Turin festgestellt, dass die Italiener sehr, sehr hart arbeiten. So mancher nördlich der Alpen sollte sich das mal anschauen kommen.

SPIEGEL ONLINE: Wenn Sie schon dabei sind, die Sünden der Vergangenheit zu beseitigen, könnten Sie eigentlich mit ein paar wichtigen konstruktiven Details fortfahren. Wie wäre es mal wieder mit einem Alfa, der Heckantrieb hat?

Alfa Romeo 147: Vordere Plätze in der Pannenstatistik

Kalbfell: Wir haben ja einen: den 159 - nur das er auch noch die vorderen Räder antreibt. Aber im Ernst: Hinterradantrieb um der Nostalgie willen kann es nicht geben. Wenn er sich als das bessere Konzept erweist, bitte. Aber glauben Sie mir, nach meiner Erfahrung ist das sehr unwahrscheinlich. Als 1982 Autos mit Heckantrieb in die britische Tourenwagenmeisterschaft eingestiegen sind, waren die Gegner alle Fronttriebler. Die Neulinge bekamen damals Ballast aufgebrummt, um den vermeintlichen Vorteil zu egalisieren. Nach zwei Jahren hatten die Konkurrenten soweit aufgeschlossen, dass der Ballast nicht mehr nötig war.

SPIEGEL ONLINE: Trotzdem: BMW macht gute Geschäfte mit Autos, nicht zuletzt weil sie Heckantrieb haben.

Kalbfell: BMW macht auch gute Geschäfte mit dem Mini, der keinen Heckantrieb hat. Ich selbst habe den 159 auf unserer Rennstrecke in Turin gestestet und war vollkommen begeistert. Fahrverhalten, Lenkpräzision, Bremsen - ich habe den Hinterradantrieb keine Sekunde vermisst. Das liegt auch daran, dass die Karosserie des 159 so verwindungssteif ist wie keine Alfa-Karosserie zuvor. Testen Sie ihn - meinetwegen mit Vorurteilen. Die werden danach verschwunden sein.

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To be or not to be, is not a question about the inteligence, it is a question about the car!
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